Serie: Tote Mädchen lügen nicht / 13 Reasons Why
Triggerwarnung: Dies ist kein Text für Elendstouristen, die sich an selbst verletzendem Verhalten, Suizid und psychischen Krankheiten aufgeilen und am liebsten den ganzen Tag damit verbringen, sich selbst zu bemitleiden, anderen von ihren Diagnosen ungefragt zu erzählen und sich dauerhaft als Opfer inszenieren.

Kurzfassung: Ich hasse diese verdammte Serie.
Langfassung:
Es ist ein wunderbar warmer Sonnentag an dem ich in Ruhe einige Beiträge vorschreiben wollte. Wollte. Dann kam eine Nachricht.

Ich hoffe, dass bei der Veröffentlichung dieser Rezension mein Suizidsinn sich nicht bewahrheitet hat, aber im Moment fühlt es sich ganz eigenartig an, dass sich Chris Cornell und Ian Curtis den Todestag teilen. Wenn Menschen, die ich live erlebt habe, mit denen ich eine bestimmte Zeit verbinde, die etwas kreiert haben, was mir viel bedeutet, dann tut ein plötzlicher Tod durch Suizid am meisten weh. Da frage ich mich immer, wie ich es denn bitte schaffen soll zu überleben, wenn nicht einmal ein Robin Williams oder eine Marilyn Monroe, ein Tony Scott oder Hunter S. Thompson dazu in der Lage sind. Und dann werde ich wütend, weil ich mich von denen allein gelassen fühle und bin in der perfekten Stimmung, um mein Leid bezüglich der meistdiskutierten Serie Twitters zu klagen.
Spätestens als meine Mama mich fragte, ob ich denn schon die neue Serie auf Netflix gesehen habe, über die jeder redet und wo sie selbst nach der Lektüre des Wikipediaartikels, was an sich schon eine Tätigkeit ist, der meine Eltern nicht nachgehen, beschlossen hat, die Produktion nicht zu sehen, wusste ich, dass da doch etwas im Busch ist. Ganz viel Unfug nämlich.
Suizidalität ist und bleibt ein heißes Eisen und ich denke es gibt da keinen einzigen korrekten Weg, diese Thematik aufzugreifen. Es gibt auch keinen konkreten Menschenschlag, der eindeutig als suizidgefährdet gilt. Es kann wie bei mir, der Opa sein, es kann der reiche Geschäftsmann, die Zahnärztin oder die Banknachbarin aus der Grundschule sein. Es gibt einige Faktoren die begünstigend wirken, zum Beispiel deine Veranlagung für psychische Krankheiten und dein soziales Umfeld, dennoch kommt niemand mit einem gemachten Schicksal auf die Welt.
Suizidierende Menschen haben in Serien, die an junge Menschen adressiert sind, nicht als rachsüchtige Märtyrer inszeniert zu werden.
Jugendliche sind keine dummen unschuldigen Wesen, die allesamt moralisch asozial sind und keinerlei Rückgrat besitzen. Man muss ihnen keine Serie als Plattform für Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid bieten, wo alle Protagonisten selbstfokussiert agieren, weil die 40-jährigen Drehbuchautoren genau das von der derzeitigen Generation unter 20 erwartet. Authentizität gleich 0. Verlogenheit gleich 100. Und dabei sich an dem eigenen Nostalgiewahn ergötzen:
Kassetten: Retro, für die heutigen Kids bestimmt cool as fuck, aber hihi, die haben bestimmt keine Ahnung wie man so etwas antikes benutzt.
Der Soundtrack: Wisst ihr noch wie krass „Stranger Things“ eingeschlagen ist? Das machen wir jetzt auch, nur das wir uns richtig Mühe geben und nur New Wave und so traurige Emotionen verstärkende Musik wie Joy Division oder The Cure spielen. Da freuen sich bestimmt alle deprimierten Teenager. 80s Power! Retro Retro Retro! Vintage Yeah!
Es gleicht einem Präventionsvideo, was für die Schule produziert wurde. Der moralische Zeigefinger auf der einen Seite, fehlende Feinfühligkeit und vollkommenes Missverständnis in der Darstellung von Problemen und Beziehungen junger Menschen. Du bist schuld an dem Suizid von jemanden, weil du die Freundschaft beendet hast. Du bist schuld an dem Suizid von jemanden, weil du nur dreimal anstatt viermal gefragt hast, ob es demjenigen gut geht. DU BIST SCHULD!
Nein.
Niemand ist schuld an einem Suizid.
Und ich kenne das Gefühl allein zu sein. Dass niemand einen versteht, niemand einen liebt, niemand sich für einen interessiert und es gab Phasen, wo das vielleicht wirklich so war, aber egal, was einem schlimmes widerfährt, man hat es selbst in der Hand, wie man damit umgeht. Und Freundschaften sind keine einseitige Geschichte. Und da Hannah Baker als Protagonistin keinerlei Anzeichen einer Depression oder anderen psychischen Krankheit zeigt und somit die Schwierigkeiten, die man dann hat wegfallen, kann sie ihren Hintern hoch bewegen und selbst etwas zu der Beziehung beitragen, wenn sie sie am Leben erhalten möchte.
Da ist es natürlich stressfreier, sich einfach umzubringen. Damit ist Menschen mit ernsthaften Problemen richtig geholfen, wenn die Hälfte aller Zuschauer genervt von der Protagonistin mindestens einmal pro Episode denkt, dass sie sich doch einfach umbringen soll, so nervig wie sie ist.
Da könnte man natürlich auch eine interessante Protagonistin schaffen, die eben gut veranschaulicht, wie sich die Pubertät eines Mädchens von der eines Jungen unterscheidet oder es eben ausgelotet wird, ob es nicht für jegliche Geschlechter ein anstrengender, beschissener Prozess ist. Aber nö. Hannah Baker ist eine passiv herumheulende Opferkönigin. Schaut, wie ihr bösen Kerle mein Leben zur Hölle macht, dafür bringe ich mich jetzt um, ha! Das Leben ist so hart als Mädchen. Ich armes, armes Mädchen. Ihr Jungs habt ja die Probleme nicht. Jedenfalls wenn man sich die männlichen Repräsentanten der Generation Z beäugt. Alles charakterarme Pumperschafe.
Ich will bei brisanten Thematiken wie Suizid,(Cyber)Mobbing, Stalking und Vergewaltigung keine passive Sündenbockrevue, sondern Protagonisten, die vielfältig emotional reagieren und handeln und zeigen, dass es von jedem die Pflicht ist jederzeit jedem Menschen so entgegenzutreten, wie er es verdient. Und nicht nur, wenn es zugunsten eigener Interessen gerade passt. Das wäre jedenfalls die Message gewesen, die am Ende herauskommen sollte, wenn es um die Schuldfrage geht. Da ist natürlich viel besser ein selbstgerechtes, unfeministisches, aber bildhübsches Balg da hinzusetzen, welches obwohl es so edgy und krass anders als die anderen sein soll, sich (weil ja alle Mädchen eigentlich dumme Weiber sind) trotzdem in den schmalzigen Sportler-Justin verguckt.
Zurück zu den Schafen: Die Kerle. Tony ist natürlich der korrekte Schwule, aber alle…ALLE heterosexuellen Jungen sind feige, gewalttätig oder sonst wie moralisch fragwürdig. Und der Suizid Hannahs dient eigentlich nur dem eigentlichen Protagonisten Clay, der unscheinbare Supernerdnerd, Integrität zu entwickeln und als laufender Zeigefinger die Legitimation des Zuschauers für Selbstjustiz zu erlangen.
Man kann dazu übrigens ein tolles Trinkspiel veranstalten. Jedes Mal, wenn man denkt, „Hä, ruft doch einfach die Polizei!?“ oder „Hä, erzähle es deinen perfekten Eltern, die sich vorbildlichst um dich kümmern, du undankbares Stück!?“ muss man trinken.
Und ganz ehrlich, einen Ruf wahren ist so 20. Jahrhundert. Nur weil einige Menschen meinen aus Langeweile da irgendwelche Intrigen spinnen zu müssen, heißt das noch lange nicht, dass man nach deren Regeln spielen muss. Wenn mich jemand als „Schlampe“ bezeichnen würde, würde ich aus dem Lachen nicht herauskommen. Und alle Menschen, die an der Schule sich dafür auch interessieren, wie für die letzte Wasserstandsmeldung, wären automatisch meine echten Freunde. Und wenn alle dich wie Scheiße behandeln, dann wechselt man die Schule und zeigt allen schön selbstbewusst vorher den Mittelfinger. Aber positive Lösungsmodelle werden hier ja nicht geboten, so dass sich einfach jeder, der im Leben ernsthaft mal gemobbt oder gestalkt wurde, einfach nur verscheißert fühlen dürfte.
Mimimiii, ich habe ihn geküsst und jetzt erzählt er allen ich sei eine Schlampe. Ja süß, ich musste in der Grundschule auf dem Weg zur Sporthalle immer an den Schülern der Sonderschule vorbei, die versuchten mit ihren Feuerzeugen unsere Haare anzuzünden. So fucking what.
Es wirkt einfach als hätte jemand, straight white middle-aged male ohne Sorgen und Probleme, konservativ und reich, aus Statistiken alle Problematiken notiert und versucht allesamt in die Handlung zu integrieren. Ich habe noch nie so lebensferne Nöte gesehen. Die Tochter eines schwulen Paares hat Angst sich als lesbisch zu outen, weil das ihren Vätern zusätzlichen Druck bereiten würde? So etwas schreibt nur jemand, der denkt, das Homosexualität verwerflich wäre. Oder jemand, der nie „Glee“ geguckt hat. Das sind Rollenbilder. Da ist für jeden etwas dabei. Da durfte auch eine Schauspielerin mit Downsyndrome Antagonistin sein. Und die Serie ist inzwischen 8 Jahre alt. Wir leben also in einer Post-Glee-Ära.
Oder das unterschwellig noch vollkommen unwitzig Druck aufgebaut wird, nur weil Clay einen Tag nicht geduscht hat und deswegen stinkt. Ja klar. Dusch dich! Gruppenzwang! Sonst musst du dich schämen! So ein Bullshit.
Wir wissen ja alle, dass das eigentlich nur eine Werbesendung in Überlänge für Kopfhörer war.
Und nicht nur die Charaktere verkaufen einen für dumm. Die Macher der Serie auch. Einem wird nicht zugetraut Sequenzen aus dem Hier und Jetzt und Sequenzen aus der Vergangenheit auseinander halten zu können. Deswegen hat Clay über Monate in der Gegenwart eine Stirnwunde mit Pflasterchen. Und alles Vergangene ist natürlich im nostalgischen Orange.
So kann Clay natürlich besser seinem frisch entdeckten Gerechtigkeitssinn frönen und weiterhin die einzig vernünftige Person, die sich um ihn schert, ignorieren. Skye ist natürlich krasse Außenseiterin, mit 17 Jahren schon überall tätowiert, anders kann man sich ja nicht erklären, dass sie dem Zirkus fern bleibt. Sie allerdings das ruhige Gegenstück zu Hannah.
Nach dem Motto: Schaut liebe Suizidgefährdeten, ihr müsst euch nicht umbringen, fangt einfach an euch zu ritzen, dann ertragt ihr schon, was wir Gesellschaft mit euch veranstalten.
Es ist wirklich ein Filmmythos, dass andere Menschen dich aus deinem Elend befreien können. Kein Mensch wird dich angucken und sofort das Leid erfassen können, was du in dem Moment fühlst. Klar, wünscht man sich, besonders an Tagen, wo jede Artikulation eher schwer von den Lippen geht, dass da jemand per Gedankenübertragung sofort weiß, was du jetzt brauchst und sofort zur Hilfe eilt, aber so ist das nicht in der Realität. Du. musst. Hilfe. erbitten. und. auch. annehmen. können. Und nicht anonym ein Gedicht veröffentlichen und dann auf deine Rettung warten.
Nachdem also die ersten acht Gründe der Hannah Baker Schmarrn waren, müssen natürlich nun mit Warnhinweis versehene Episoden folgen, wo bereits abzulesen ist, was nun folgt. Nicht, dass das gefühlt in jeder Folge einer x-beliebigen anderen Serie dargestellt wird. Die Vergewaltigung. Wie immer dafür eingesetzt, um die Charakterentwicklung des männlichen Akteurs voranzubringen. Doch zunächst beobachtet die gute Hannah Baker eine. Und unternimmt nichts. Steht da wie angewurzelt, heult und ich werde wütend. Passives Gör. Anstatt dich selbst zu bemitleiden, ist es deine Pflicht anderen zu helfen in solchen Situationen. Das kann man Kindern beibringen, dass man eingreift, wenn einem Menschen Unrecht oder weh getan wird. Aber ich vergaß, Frauen sind ja schwache Opfer.
Hatte ich schon erwähnt, dass die Schauspielerin von Skye die Tochter von Kyra Sedgwick und Kevin Bacon ist?
Eine positive Sache muss ich jedoch schreiben: Beide Vergewaltigungsszenen sind taktvoll und mit Umsicht inszeniert.
Der restliche Umgang damit ist allerdings äußerst klischeehaft. Natürlich gibt es bestimmte Muster, die bei vielen Missbrauchsopfern/erlebenden/überlebenden auftreten, aber eine traumatische Erfahrung bedeutet nicht gleich, dass man zum Alkoholiker, Nymphomanen oder zum Suizidanten wird. Jeder hat irgendwo im Umfeld mindestens eine Person mit Missbrauchserfahrung, der man das im Alltag nicht anmerkt. Von der man es vielleicht auch nicht vermutet. Und diese Menschen bewältigen ihr Leben mit Bravour und zum Dank sehen sie im Fernsehen Vergewaltigungen, die die Handlung und die Entwicklung des Helden voranbringen sollen. Herzlichen Glückwunsch.
In einer Nacht- und Nebelaktion flimmerten Episode 9 bis 13 durch bis halb sechs morgens. Die Tweets wurden weniger, die Anspannung größer. Alle Gründe der Dame, sich umzubringen, waren aufgezählt und es folgte eine explizite Suizidsequenz. Wie bei einem billigen Horrorfilm wird man 13 Folgen lang darauf konditioniert, gierig zu warten, um zu sehen was Hannah Baker schreckliches widerfährt und um endlich ihr wunderschönes, makelloses Gesicht inklusive Körper in einer Wanne zu sehen, wo sie sich die Pulsadern aufschneidet. Diese Szene ist ihrer Schmerzheftigkeit jedoch verdammt prekär. Beispiel ich: Ich bin gerade zwar nicht mehr in einem Alter, wo Hormone machen was sie wollen, bin derzeitig auch nicht psychisch krank oder stecke in einem heftigen Konflikt. Ich befinde mich aber in einer stressigen Phase, wo sich mit meinem Handeln entscheidet, in welche Richtung meine Zukunft geht. Ich bin angespannt und deswegen empfänglich für Stimmungsschwankungen. Ich sehe diese Szene, mir treten eher vor Schock Tränen in die Augen und aufgrund der herzzerbrechend realistischen Reaktionen der Eltern (die durchgängig als einzige fantastisch spielen) habe ich Schuldgefühle. Und ich schäme mich für das, was ich manchmal fühle. Für die Angst, vielleicht nicht gut genug zu sein für meine Mitmenschen, für das Leben an sich, für die Gesellschaft.
Ein suizidgefährdeter Mensch wird niemals diese Szene sehen und denken, dass das viel zu schmerzhaft aussieht und ihm wird, wenn er unter Depressionen leidet, die Tragweite seiner Handlung nicht klar sein, genauso wie das Leid der Angehörigen. So etwas erfasst man meist erst, wenn man selbst wieder gesund ist.
Der Knackpunkt ist die Todesart. Diese ist klassisch für die Adoleszenz und ist immer eine romantisierte Version des Todes. Eine harte Methode wie das Erhängen hätte da beispielsweise mehr Abschreckpotenzial gehabt, wenn man ihre Qualen (vielleicht sogar ein Umentscheiden) gezeigt hätte. Und ihre vollgeschissenen Hosen. So möchten die meisten nämlich nicht enden.
Das Aufschneiden von Pulsadern zu inszenieren, beinhaltet immer Verantwortung zu übernehmen.
Ich hatte danach mal etwas recherchiert und ich denke das Ergebnis sagt alles aus:

Wisst ihr wie viele Menschen sich jährlich in Deutschland das Leben nehmen? Da kommen mehr zusammen als durch illegale Drogen, Mord und Totschlag, Verkehrsunfälle und AIDS zusammen. Z.U.S.A.M.M.E.N.

Da melden sich zum Teil 9-jährige bei der U25-Mailberatung. Habt ihr kleine Geschwister? Oder Kinder? Könnt ihr euch vorstellen, dass sie in dem Alter schon so viel Schmerz empfinden, dass sie nicht mehr leben möchten?
Da hat man gefälligst dreimal zu überlegen, ob man jemanden in Film und Fernsehen die Pulsadern quer oder längs aufschneiden lasse. Oder ob das generell sein muss.
Was habe ich denn nu eigentlich aus der Serie gelernt?
Ich habe gelernt, dass alle Sozialarbeiter unqualifiziert und unempathisch sind. Und sie sind schuld, wenn Menschen sich umbringen.
Und ich freue mich, wenn in der zweiten Staffel mir gezeigt wird, wen ich verurteilen darf, wenn mal wieder ein Amoklauf passiert.
Ich könnte stundenlang weiter alles auseinander nehmen, doch mein Kopf brummt. Genießt euren Tag und behandelt die Menschen jederzeit so, wie sie es verdienen und nicht bloß, wenn ihnen vorher das Wort „Opfer“ auf die Stirn tätowiert wurde.
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Danke.
Mehr möchte ich eigt. gar nicht schreiben – außer: Danke.
Ich hätte auf deine Warnung hören sollen und die Serie einfach vorzeitig abbrechen sollen. Aber so ist das wohl, mit der gierigen Neugierde auf „das Ende“. Tja, da hat mich die Serie im Endeffekt leider doch irgendwie drangekriegt.
Allerdings kann ich dir in allen Punkten – sofern ich sie für mich auch nachvollziehen kann – zustimmen. Die Serie ist widerlich manipulativ und gefährlich. Es werden Bilder vermittelt, die eindeutige Verhaltensweisen modellieren. Gegen die die Serie eigentlich appellieren möchte. Und grundlegend daran scheitert. Hannah Baker, Clay,… gab es neben Alex (und Zach) überhaupt einen grundlegend ambivalenten Charakter, der sich nachvollziehen ließ? Ich mochte Tony, aber… nunja, manche Handlungen… ich mochte ihn trotzdem…
Den Soundtrack fand ich in den ersten zwei, drei Folgen wirklich gut, danach wurde es so durchgenudelt, dass der Charme verloren ging und es clichedriven wurde. Und wer hat auf solchen Parties diese art von Musikgeschmack?! Die waren quasi in der Zukunft (das Verfahren im Nov ’17) und was zum Teufel hören die da? Wow. Volle Retroschelle.
Das schlimmste war/ist allerdings die abstruse Inszenierung, die ein Stück Schei*e an das nächste reiht, während Clay zu Fuß, Fahrrad oder Auto natürlich so viel Zeit von der Uhr nimmt, damit die Serie via drölftausendsten Matchcut zwischen den Zeitebenen springen kann. Argh!
Die Serie hatte mich nach Folge 5 schon so aggressiv gemacht, dass ich echt hätte aufhören sollen. Die ganzen Highschoolstereotypen, die auf brutalste und unauthentischste Art und Weise verschwurbelt wurden, waren dabei auch nur der Anfang. Dass die angesprochenen Thematiken wie Suizid, (Cyber-)Mobbing, Stalking, etc. heikle Themen sind, das ist klar. Aber man muss doch als Film-/Serienschaffende selber merken, was für eine verquirlte und verlogene Schei*e man da produziert.
Bitte. ❤
Erfolgreiche Sachen zu verreissen, ist ja voll dein Ding. 😀 Ich gebe dir Recht, was Handlung, Konzept etc. angeht. Hannahs Charakter ist mir auch zu passiv, zu unstimmig und es gab nur wenige Folgen, in denen ich nicht gedacht habe, „ist das euer Ernst?“. Vor allem weil von Schuld gesprochen wird, wo keine ist. Aber pauschal alles blöd finden, scheint mir auch bloß eine Attitüde zu sein. Denn allein, dass wir jetzt drüber reden, ist ja Indiz dafür, dass die Serie zumindest zu Teilen gut gemacht ist. Gegen den Soundtrack jedenfalls kann man nun wirklich nichts einwenden, der ist Bombe, retro hin oder her.
Naja, ich gehe ja nicht mit der Erwartungshaltung heran, dass ich heute mal wieder ein derzeit populäres Stück Film oder Fernsehen ruiniere. Ich versuche nur einfach ein bisschen was von den aktuellen Trends mitzubekommen. Dass das öfters so zermürbend ist, konnte ja keiner ahnen. *lach*
Da ist dann auch das aufrichtig hassen keine Attitüde um edgy und cool zu sein, sondern volle Überzeugung. Man kann gegen den Soundtrack sagen, dass er schwierig ist. Es wird übermäßig oft mit Joy Division kokettiert. Ich meine, es wird sogar ein bisschen vorgeshadowt, denn natürlich bringt sich der am Ende noch um, der das fette Joy Division Poster im Zimmer hat. Desweiteren wird einfach über jede Szene mit jedem Charakter ein melancholisch bis deprimierendes Lied gehauen. Und das ist kontraproduktiv. Wenn Hannah den ganzen Scheiß hören würde und ansonsten zeitgemäße oder von mir aus 80s Musik a la Prince, Madonna und Co. laufen würde, dann könnte eine klare Abgrenzung stattfinden im Sinne von „Schau, der geht es miserabel.“. So wird man beim Schauen einfach selbst immer suizidgefährdeter, weil man allein schon durch die Musik immer mehr in die eigene Gedankenspirale befördert wird.
Die Serie ist wie die Jugendbewegung aus meiner Jugend. Damals war Emo in, die Medien gingen voll steil bezüglich der Themen „Sebstverletzung“, „Mobbing“ etc. und was kam in den Klassen an: Sprüche wie „Die da hört My Chemical Romance/Fall Out Boy/etc., ih die ritzt sich. Voll das Mobbingopfer, ey.“ Die Serie fördert genau dasselbe. Es wird geguckt, ob jemand dem Symptomkatalog der Hannah Baker entspricht und dann wird diese Person als Opfer behandelt anstatt das daran gearbeitet wird, dass die ganzen Arschlöcher, die täglich anderen Menschen das Leben zur Hölle machen sanktioniert werden.
Ich habe gestern Nacht das letzte Mail geduscht. Bestimmt rieche ich ganz furchtbar.
Eigentlich wollte ich mir die derzeit an allen Ecken und Enden thematisierte Serie auch ansehen. Aber nach deiner dezidierten Besprechung möchte ich davon Abstand nehmen. Großen Respekt dafür, dass du erneut das aufdeckst und formulierst, was sich wohl andere nicht trauen würden. Ich hatte schon befürchtet, dass die Serie ihr Szenario zum hippen Stilding (siehe die Musik) machen würde. Vermutlich sind die Jungdarsteller auch alle Hochglanzgesichter, was ich mittlerweile nicht mehr sehen kann.
Mein bester Freund und ich wurden in der Schule zeitweise auch gemobbt. Und ich habe auch Freunde, die missbraucht wurden. Dass solche Dinge in einer Serie thematisiert werden ist grundsätzlich gut. Aber manch sollte keine Exploitiation daraus machen. Wenn ich dein Review richtig interpretiere, dann ist das bei „Tote Mädchen lügen nicht“ genau der Fall.
Wahrscheinlich sollte man sich lieber „Donnie Darko“ ansehen.
Wenn du dich mal richtig aufregen willst, ist das natürlich deine Serie. Und ja du hast recht, die einzige Person mit Pickeln und Unreinheiten im Gesicht ist man selbst. Ein Gefühl, was ich beim Konsum von Filmen und Serien überhaupt nicht mag.
Ich habe nun auch schon viel von dieser Serie gehört und gelesen. Mich selbst reizt sie nicht, jedoch hatte ich mich auch noch nicht näher mit ihr beschäftigt. Fakt ist: Serien, gerade wenn man sie hoch dosiert verfolgt, bieten ein gewisses Sucht- und Identifikationspotenzial. Das was du schreibst, macht für mich folglich Sinn und ein differenzierterer und wenig effekthascherischer und kalkulierter Ansatz wäre wohl wünschenswert gewesen.
Ich denke die Wurzel des Übels ist die Vorlage, die von jemanden geschriben wurde, der soweit ich weiß, nicht seine eigenen Erfahrungen verarbeitet, sondern mit dem Ansatz herangegangen ist, ein Szenario zu erfinden, welches allgemein gültig und verständlich ist. Es ist vom Gefühl her genau das Gegenstück zu „The Perks of Being a Wallflower“, wo so viel Liebe und Verständnis für die Gedankenwelt eines pubertierenden Menschens drin steckt, der vielleicht auch irgendwie weird und zerbrechlich ist.
… präzise seziert und auf den Punkt gebracht… keiner braucht designer Selbstmorde im amerikanischen Lebensstil…
Genau!
Wunderbar abgehandelt meine Liebe… Ich mochte das Buch deshalb, weil es eine interessante Inszenierung hatte sowie Thematik. Die Story sowie die Charaktere kann man getrost vergraben. Hannah ist eine der naivsten und kurzsichtigsten Charaktere, die ich jemals lesen durfte. Clay ein hoffnungsloser, schematisirter Undergroundtyp…
Wenn die Herren Drehbuchautoren bitte mal an deutsche Schulen kommen würden, oder auch an Schulen für do deklarierte „Problemkinder“, da hat man reale Problem, reale Dramen und ernstzunehmende Charaktere… (Man muss noch nicht einmal an solche Problemschulen gehen, normale Gymnasien und Grundschulen reichen schon)
Es gibt bessere US- Serien und dabei meine ich bereits NCIS… Beschäftigt sich auch mit dem Thema Selbstmord…
Ja, wobei für meinen Geschmack Suizid („Selbstmord“ halte ich als Begrifflichkeit schwierig, da moralisch dermaßen beladen) viel zu oft zur Spannungsgewinnung, als dramaturgisches Mittel eingesetzt wird, anstatt einen suizidgeplagten Menschen ernsthaft zu porträtieren.
Ja aber der Kunstgriff fing doch schon bei Shakespeare und Puccini an
Wenn du ein Biopick willst empfehle „Die Leiden des jungen Werthers“, wie würdest du eigentlich Brave New World einschätzen? Von wegen die Rolle von John?
Oha. Du hast ja schon angekündigt, dass man sich auf deine Review freuen darf. 😉 Ja, dass 13 Reasons Why keine gute Serie ist und Fehler macht, da sind wir uns einig. Dass die Freundschaften und Charaktere sehr oberflächlich und eindimensional geraten sind ist fakt plus einfach-gestrickteTV-Motive wie dieses ewige Kassetten hören. Meine Güte, ich hätte die in einer Nacht durch. Eine der für mich schmerzvollsten Szenen, in denen ich dachte WTF WHY? war die in der Hannah nicht gehandelt hat und nur zugeschaut hat was ihrer Freundin passiert. Wie kommt man auf die Idee sowas zu skripten?
Aber ich denke trotzdem wir haben die mit anderen Augen oder Standpunkten gesehen? Irgendwann war ich auch mal jünger und wenn ich so zurückblicke muss auch ich als ehemaliges Mobbing-Opfer sagen: ich habe auch damals gedacht die Welt endet, wenn sich jemand etwas neues hässliches über mich ausgedacht hat. Als Teenager sind denke ich die Dimensionen anders und man ist in den meisten Fällen emotional nicht so stabil, dass man das alles super distanziert und rational bewerten kann. Das fällt mit 4, 5 Jahren mehr auf dem Buckel dann um einiges leichter. Heute sagt man: na dann eben Schule wechseln. Von früher weiß ich: das hätte ich als genauso großen Albtraum empfunden. Um mal ein Beispiel dafür zu geben, wo ich nicht d’accord gehen kann. Man kann mit Ü20 anders auf diese Aspekte schauen als man das mit U20 gemacht hat. Und ich finde, dass es der Serie zumindest in dem Sinne gut gelungen ist, mal einen Eindruck zu vermitteln wie sich das anfühlt, falls man es vergessen hat. Auch die schlussendliche Botschaft mit der Clay auf andere zugeht, geht für meinen Geschmack in die richtige Richtung.
Ich finde genau diese Szene auch vollkommen verantwortungslos! So nach dem Motto „Man muss verstehen, wenn depressive Mädchen so eine furchtbare Tat sehen, dann sind sie so schocktraumatisiert, weil sie halt weiblich sind und es Gesetz ist, dass sobald das Thema Vergewaltigung im Raum steht, sie passive Opfer zu sein haben.“, was eben den edukativen Effekt von Film und Fernsehen komplett ignoriert. Die Menschen, verbinden Diagnosen und Taten mit dem, was sie von den Medien als normal vorgesetzt bekommen.
Klar, als Teenie fühlt sich so vieles wie ein Weltuntergang an. Das ist ja leider auch normal für die Zeit. Aber ich finde die Serie nimmt ihre Pubertisten in keinster Weise mit ihren Problemen und Sorgen ernst. Guck dir doch im Gegenzug „The Perks of Being a Wallflower“ an. Die sind alle authentisch weird, abgefuckt und einfach nur liebenswert. Man versteht sie, sie verstehen einen und irgendwie, obwohl da soviel Schmerz drinsteckt, lindert der Film (oder auch das Buch) ungemein das Gefühl, auf der Welt allein zu sein. Und ich finde „13 Reasons Why“ fühlt sich eher an, als hätte einer dieser langweiligen privilegierten Kids versucht als Erwachsener diese Gefühlswelt zu porträtieren ohne sie selbst jemals so empfunden zu haben.
Ups, jetzt wäre es doch mal interessant, die Serie zu schauen. Nur, weil du sie so schön in der Luft zerfetzt hast.
Teilweise hatte ich dieselben Eindrücke beim Buch, aber nicht so stark ausgeprägt, weil es die Geschichte sehr
verkürzt erzählt. Ein schwuler Junge bzw. Pärchen taucht darin z.B. gar nicht auf. Grundsätzlich hatte ich aber auch
beim Lesen ständig den Wunsch, Hannah anszubrüllen, sie solle den Leuten mal entsprechend entgegentreten. Gerade, weil sie jetzt nicht psychisch so geschwächt wirkt und es deswegen nicht könnte. Einfach ärgerlich und dumm die Geschichte. Sei es in Buch oder Serie.